Abschied von „Berlin Stadtbahn“

 

Sprachliche Begriffe können zu jener Art von Insiderwissen gehören, das den Metropolenbewohner vom Provinzler trennt. Und letzteren in ersteren verwandelt, wenn er es sich mit der Zeit erarbeitet hat. So fand sich jahrzehntelang auf Wagenlaufschildern, Zugzielanzeigern und nicht zuletzt Fahrkarten die Bezeichnung „Berlin Stadtbahn“. Selbst dem von der DDR-Reichsbahn (und bisweilen auch von der Bundesbahn) ganz besonders geplagten West-Berliner – der etwa in München in einen Zug steigen mußte, der von einer lärmenden, monströs klobigen „Taigatrommel“ gezogen wurde, derweil rundherum die modernen Intercitys verkehrten – verschaffte dies einen letzten Hauch wohliger Exklusivität: Mochten andere zu ihren West-, Ost- oder, Gipfel der Langeweile, Hauptbahnhöfen reisen – der Berliner fuhr nach „Stadtbahn“. Und dies übrigens auf beiden Seiten der Mauer. In Berlin ist die Stadtbahn eben etwas anderes als in Hannover oder Herne, in der Hauptstadt sind überhaupt viele Dinge anders. Wer da mithalten will, hat es halt zu lernen, und wer das nicht will, kann ja zuhause bleiben. Doch derlei Eigenheiten können heutzutage natürlich nicht mehr geduldet werden, und so hat sich Berlin seit dem jüngsten Fahrplanwechsel nicht nur neben Bielefeld, Bonn oder Kaiserslautern in die Reihe der pulsierenden Metropolen einzureihen, die stolz einen Hauptbahnhof ihr Eigen nennen – im Gegensatz zu Provinznestern wie London, Paris, Madrid oder Moskau. Nein, auch das zuletzt nur noch als Tarifbezeichnung benutzte „Berlin Stadtbahn“ ist verschwunden. Die Fernfahrkarte gilt nun auf deutlich mehr S-Bahnstrecken als bisher. Aber nur wenig kann dies über den Verlust hinwegtrösten, fährt man künftig doch bloß noch nach „Berlin“, ganz indifferent und geheimnislos.

 

 

Veröffentlicht am 11. Januar 2007.

 

 

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