Straßenbahn mitten in West-Berlin!
In Betrieb genommen im Mai 2000: Vorläufige (LOL) Endhaltestelle am U-Bahnhof Warschauer Straße
Der 14. Oktober 1995 war ganz sicher nicht ein rabenschwarzer Tag für die Berliner Senatsverkehrsverwaltung. Bestimmt haben es viele der dort Tätigen nicht als arge Niederlage empfunden, daß sie nicht verhindern konnten, was manchem Freund des öffentlichen Personennahverkehrs als schlimmer Albtraum für jeden Betonkopf- und Bleifußbesitzer erschienen sein mochte: Die Rückkehr der Straßenbahn in den einstigen Westteil der Stadt.
Viele Kilometer weit führte die 1997 bis zu ihrem heutigen Endpunkt verlängerte Strecke über die Bornholmer, die Osloer und die Seestraße durch den schönen Wedding und hatte hier ein paar Parkplätze gekostet, dort eine Linksabbiegerspur gefährdet.
Und der zuständige Senator ? von der CDU! ? drohte den Bau weiterer neuer Tramtrassen an: durch Moabit, durch den Osten Kreuzbergs zum Hermannplatz, gar die Gertrauden-, Leipziger, Potsdamer und Hauptstraße hinunter bis zum Innsbrucker Platz oder womöglich noch darüber hinaus bis zum Rathaus Steglitz!
Nun ist es nicht so, daß der Senatsverkehrsverwaltung seit Jahrzehnten völlig gleichgültig ist, wer unter ihr Senator spielen darf und es den zuständigen Beamten durch erfahrene, hundertfach bewährte Obstruktion fast immer gelingt, den ÖPNV in Berlin auszubremsen und eine Politik mit klarer Rangfolge durchzusetzen: 1. Autoverkehr, 2. Autoverkehr, 3. Autoverkehr, 4. U-Bahn- und sonstiger Tunnelbau, dann lange Zeit nichts und irgendwann der Rest.
Daher kann auch keine Rede davon sein, daß sich die Verwaltung intensiv darum bemüht hätte, den Bau neuer Straßenbahnstrecken zu verzögern oder zu verhindern. Erst recht nicht im einstigen Westteil Berlins. Der Beweis: Nach der Stichstrecke im Wedding wurde die Verbindung über die Bernauer Straße wiederaufgebaut und 2006 in Betrieb genommen, welche zwar unmittelbar neben der früheren Sektorengrenze verläuft, aber eindeutig auf West-Berliner Gebiet! Und im Dezember 2014 ging die mehrere hundert Meter lange Strecke zum Hauptbahnhof in Betrieb.
Eine eindrucksvolle Bilanz auch des Wirkens und der Fähigkeit der zuständigen Senatoren Strieder (SPD), Junge-Reyer (SPD) und Müller (SPD).
Der aktuelle Amtsinhaber hat nun, kaum vier Wochen im Amt, den forcierten Ausbau der Straßenbahn angekündigt ? auch und gerade im früheren West-Berlin. Herr Geisel (SPD) ist aber zugleich ein großer Freund der Verlängerung der Stadtautobahn, da er meint, mit dem Neubau von Straßen eine Verminderung des Individualverkehrs bewirken zu können.
Das wird jetzt sehr, sehr spannend, was in den kommenden Jahren tatsächlich gebaut wird.