
Politisch korrekter wäre Maximal-pigmentierte-Mitbürgerin-und-maximal-pigmentierter-Mitbürger-(frei-wählbaren-Geschlechts)-Straße. Zumindest nach Stand von heute nachmittag.
Das vergangene Wochenende nutzte eine Gruppe von Aktivisten, um für eine Umbenennung der Berliner Mohrenstraße ? samt des seit 1991 nach ihr benannten U-Bahnhofs ? zu demonstrieren.
Nun ist es sicher nicht so, daß man derartige Aktionen nur deshalb am Wochenende veranstaltet, weil man weiß, daß die Medien dann in der Regel wenig zu berichten haben und für alles dankbar sind, woraus sich ein paar Zeilen oder Sendeminuten gewinnen lassen. Und schon gar nicht sieht das breite Bündnis welches hier, den Aktionistenangaben zufolge, wie üblich hinter der Forderung steht, so aus, daß sich zwei Dutzend Demonstranten versammeln und jeder von ihnen eine Unterstützergruppe repräsentiert. Mindestens eine.
Das kann schon deshalb nicht so sein, weil die Aktion in der Mohrenstraße wohl wenigstens drei Dutzend Teilnehmer zählte.
Sie forderten eine Umbenennung der Mohrenstraße ? die ihren Namen seit über dreihundert Jahren trägt ? in ?Nelson-Mandela-Straße?.
Bekanntlich werden so bewegte, mutmaßlich oft wütend und traurige, Menschen nicht vornehmlich von ihrem beschränkten Weltbild geleitet sowie von der inbrünstigen Überzeugung, daß die momentanen Vorschriften der political correctness gestern, heute und bis ans Ende aller Tage gelten sollten und sogar würden. Weshalb sie sich auch nicht für historische Zusammenhänge einen feuchten Kehricht interessieren, ebensowenig wie für Etymologie.
Fraglos wissen die MenschInnEn, daß die Berliner Mohrenstraße benannt ist nach jenen Nordafrikanern, die der Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. aus den Niederlanden ?als Geschenk? erhalten hatte und dann zu Militärmusikern machen ließ, und den Gedanken, ihrer zu gedenken als ein Beispiel für den nicht nur politisch alles andere als korrekten Umgang mit Menschen haben die AktivistInnEn sicher erörtert und dann nicht guten Gewissens, sondern auch mit guten Gründen verworfen ? jedenfalls mit besseren Gründen als einem reflexartigen Gegacker, wenn eine Vokabel fällt, die im Moment als irgendwie nicht konform betrachtet wird. (Sicher wissen die Aktivisten auch, daß ?Mohren? sich von ?Mauren? ableitet, und vermutlich wird auch dieser Begriff in Kürze auf die Schwarze Liste der Gedankenpolizei gesetzt.)
Den KämpferInneN für eine bessere WeltIn muß aber doch vorgeworfen werden, daß sie sich nicht ausreichend informiert haben über den aktuellen Stand politisch korrekter Bestrebungen im Berliner Bezirk Mitte. Steht doch einer Umbenennung der Mohren- in Nelson-Mandela-Straße die Tatsache entgegen, daß Herr Mandela einen ? nun, nach seinem Dahinscheiden ? leider nicht mehr zu korrigierenden Makel aufweist: Er war keine Frau.
Und die guten Menschen, welche die Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Mitte stellen, haben schon vor längerem beschlossen, Straßen solange nur noch nach Frauen zu benennen, bis diese in angemessener Quote auf den Straßenschildern des Bezirks Berlin-Mitte vertreten sind.
In diesem ehrenwerten, die Welt signifikant verbessernden Streben ist man sich einig mit den guten Menschen, welche die Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg stellen, weshalb es dort vergangenes Jahr bereits erheblichen Verdruß mit dem Philosophen Moses Mendelssohn gab, der sich die gleiche Verfehlung wie Nelson Mandela hatte zuschulden kommen lassen.
Dem falschen Geschlecht angehört zu haben, ist auch das Problem mit Karl Heinrich Ulrichs: Nach diesem frühen Vorkämpfer für Homosexuellenrechte wurde unlängst ? völlig überraschenderweise unter dem Jubel der Vertreter eines breiten Bündnisses ? die Einemstraße umbenannt. Allerdings nur die im Bezirk Tempelhof-Schöneberg liegende Hälfte dieser einige hundert Meter langen Straße. Denn die andere Hälfte liegt im Bezirk Mitte.
Nur MenschInnEn, die noch nicht das richtige Bewußtsein besitzen, werden einwenden, man könnte doch einfach verfügen, daß die Einemstraße künftig nicht nach jenem Militär heißen soll, nach dem sie 1939 benannt wurde (ja, vollkommen unerwartet wurde in diesem Zusammenhang die Faschismuskeule geschwungen), sondern nach dem Komponisten Gottfried von Einem, der nicht nur politisch nach links neigte, sondern auch als Gerechter unter den Völkern ausgezeichnet wurde und beispielsweise wesentlich daran beteiligt war, daß Bertolt Brecht nach seiner (eher unfreiwilligen) Rückkehr aus dem US-Exil und seiner (völlig unfreiwilligen) Ausreise aus der Schweiz die österreichische Staatsbürgerschaft erhielt, was ihn für den Rest seines Lebens davor bewahrte, Bürger der von ihm so geschätzten DDR zu werden.
Nur ignorante ZeitgenossInnEn könnten bemerken, Herr Ulrichs hätte sich womöglich gar nicht für Homosexuellenrechte eingesetzt, wenn er eine Frau gewesen wäre ? was zumindest der Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte den Umgang mit ihm erheblich erleichtert hätte.
Nur ganz böse GeisterInnen schließlich werden sich freuen, wie sich bei all diesen Bemühungen um Säuberung des Stadtplans (und Nachweis gewisser AktivistInnEn, wichtig zu sein und etwas zu bewirken) Gutmenschen in ihrem Bemühen um political correctness verheddern.
Zumal die Lösung ganz einfach ist: Wie im Falle von Moses Mendelssohn muß auch Nelson Mandela der Weg auf die Zentralberliner Straßenschilder gebahnt werden durch seine mindestens ebenso verdienstvolle Gattin, also die sehr sympathische und verehrenswürdige Winnie Mandela. Zum Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz wird sich dann die Winnie-und-Nelson-Mandela-Straße gesellen, wobei man nur bedauern kann, daß beide nicht aufeinandertreffen ? wie es etwa die Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße und die erst vor wenigen Jahren so benannte Else-Lasker-Schüler-Straße tun.
Denn im Kampf um eine bessere Welt muß natürlich stets absolut deutlich gemacht werden, nach wem genau eine Straße oder ein Platz benannt ist.
Freuen wir uns also auf die Sabine-Leutheusser-Schnarrenberger-Promenade, die beispielsweise einen Namen wie ?Schwartzkopffstraße? ersetzen könnte, der fraglos auch irgendwie nicht politisch korrekt klingt.
Unbestreitbarer Vorteil dieser Strategie: Ein einziges Straßen- oder U-Bahn-Stationsschild reicht fast über die gesamte auszuschildernde Strecke.
Und sicher werden nicht bald die nächsten AktivistInnEn eines breiten Bündnisses kommen und darauf hinweisen, wie unbeschreiblich faschistisch die Beschlüsse braver Berliner Bezirksverordnetenversammlungen sind, da sie so tun, als gäbe es nur zwei Geschlechter. Oder überhaupt irgendwelche.