Am Freitag ist Nikolaus, doch die Nutzer des Berliner ÖPNV müssen noch bis Montag warten, um in den Genuß eines nennenswerten Geschenks zu kommen: Der Wiedereröffnung des S-Bahn-Tunnels, der die nördlichen und die südlichen Strecken miteinander, durch die Innenstadt hindurch und an solchen vielleicht nicht ganz unbedeutenden Stationen wie Oranienburger Straße, Friedrichstraße, Brandenburger Tor oder Potsdamer Platz vorbei, verbindet.
In zwei Abschnitten 1936 und 1939 eröffnet, ist die ?Nordsüdbahn? das Vorbild für die innerstädtischen S-Bahn-Tunnel, die später in Hamburg, München, Frankfurt am Main, Stuttgart oder jüngst in Leipzig entstanden. Mehr als fünfzig Jahre lang war sie in Betrieb, unterbrochen nur durch die Flutung gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, die Streiks 1949 und 1980 sowie eine kurzzeitige Stillegung nach der Übernahme des West-Berliner S-Bahn-Verkehrs durch die BVG Anfang 1984.
Da ist es verständlich, wenn nun gut zwei Wochen lang vor allem die Schienen ausgetauscht werden müssen, was eben während einer Vollsperrung dieser zentralen Strecke geschieht. Schließlich ist an ihr, die zu Zeiten der Mauer größtenteils durch Ost-Berliner Gebiet führte, aber dem West-Berliner S-Bahn-Netz zugeordnet war, seit der Wiedervereinigung kaum gearbeitet worden.
Lediglich 1991 erfolgte eine Sanierung, die im Januar begann, für die ab 2. April 1991 der Verkehr auf dem nördlichen Abschnitt zwischen Friedrichstraße und Gesundbrunnen eingestellt wurde und ab 18. August 1991 auch auf dem südlichen Abschnitt zwischen Friedrichstraße und Anhalter Bahnhof, beides bis zum 1. März 1992.
Da die unterirdische Bahnsteighalle an der Friedrichstraße erst in den siebziger Jahren renoviert worden war, erneuerte man sie bei dieser Gelegenheit nicht. Um es dann doch zu tun ? und auch noch manch anderes ?, wurde der Tunnel vom 16. Juni bis 13. Oktober 2002 erneut gesperrt, bis 18. August sogar nicht nur von Nord- bis Anhalter Bahnhof, sondern gleich bis Yorckstraße. Ab 19. August fuhren die Züge von Süden dann immerhin bis Potsdamer Platz.
Leider hatte man zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen können, daß es notwendig werden könnte, auch im Nord-Süd-Tunnel die Signalanlagen auszutauschen ? wie es im restlichen S-Bahn-Netz bereits geschah. So durften denn die ?Berliner Verkehrsblätter? in ihrer April-Ausgabe 2005 melden: ?Seit dem 28. Februar 2005 ist der Nord-Süd-S-Bahn-Tunnel wieder eine Großbaustelle.? Aber: ?Während die Sanierungen der Jahre 1991/92 und 2002 mehrmonatige Totalsperrungen mit sich brachten, kommt der Baubetrieb jetzt im Wesentlichen mit längeren Betriebspausen und einem auf fünf Minuten erweiterten Zugabstand aus (…).? Wofür die Linie S 25 zwischen Potsdamer Platz und Nordbahnhof unterbrochen wurde. ?Lediglich zwischen den Stationen Anhalter Bahnhof und Yorckstraße wird der Zugverkehr von Juli bis November 2005 eingestellt.? Auf Grund des bekannten Berliner Bautempos wurde aus ?November? dann der 10. Dezember.
Man sieht also: Im Laufe der letzten 23 Jahre fuhren die Züge nahezu ununterbrochen durch den Berliner S-Bahn-Tunnel. Da ist es kein Wunder, wenn nach so wenigen mehrmonatigen Vollsperrungen, Sanierungen, Modernisierungen jetzt mal alle Gleise ausgetauscht werden müssen ? diese sind ja zum Teil schon zwanzig Jahre alt. Die Berliner Medien sind beeindruckt und begeistert von diesen Leistungen. Wie von allem.
?Für weitere Gleis- und Weichenerneuerungen sowie Arbeiten in den Bahnhöfen wird es voraussichtlich ab September 2014 eine mehrwöchige Sperrung auf dem Abschnitt zwischen Gesundbrunnen und Anhalter Bahnhof geben?, verkündet die S-Bahn Berlin GmbH bereits auf ihrer Website. Aber dann, so möchte man anmerken, dürfen sich die Nutzer der Berliner S-Bahn (die ja als ein absolut zuverlässiges, leistungsstarkes, stets voll einsatzfähiges Verkehrsmittel bekannt ist) freuen. Denn dann ist erstmal alles schön erneuert. Und nach den Erfahrungen der letzten Dekaden muß mit der nächsten mehrmonatigen Vollsperrung nicht vor 2018 gerechnet werden.
(Davon unberührt bleibt natürlich, daß die Tunnelstrecke hin und wieder für ein Wochenende stillgelegt werden muß, um zu schrauben und zu putzen.)