Regionalbahnhof Potsdamer Platz ? Eine Todesfalle (nach Hamburger Lesart)
Böse Zungen behaupten, jetzt zeige sich, welch großes Glück Berlin hatte, daß bei der Abgeordnetenhauswahl 2011 die Grünen nicht annähernd so gut abschnitten wie zwischenzeitlich erwartet und daher ihre Spitzenkandidatin Renate Künast nicht Regierende Bürgermeisterin wurde.
Böse Zungen behaupten ferner, die Grünen wären mittlerweile mehrheitlich und in ihrer Regierungspraxis zu Leuten jenes Kalibers geworden, die die Grünen früher bekämpft haben (wobei es tatsächlich keine Rolle spiele, wer in diesem Satz Objekt und wer Subjekt sei). Motto: Die schärfsten Kritiker der Elche werden später selber welche. Dazu gehöre, daß grüne Politiker nichts lieber täten, als sich immer neue Verbote auszudenken und die lieben Bürgerinnen und Bürger umfassend zu bevormunden, da man ständig neue Gefahren entdeckt, vor denen unsere Menschen ganz dringend geschützt werden müssen.
Das ist natürlich Unfug. Denn ebenso natürlich ist es reiner Zufall, daß in Stuttgart nur kurz nach dem Amtsantritt des ersten grünen Oberbürgermeisters der Stuttgarter Fernsehturm für Besucher von heute auf morgen gesperrt wird. Womöglich, so heißt es, für immer. Denn nach gerade einmal 57 Jahren Betrieb wurde von der zuständigen städtischen Aufsichtsbehörde festgestellt, daß es sich bei dem Stuttgarter Fernsehturm ? der im vergangenen Jahr noch 330.000 Besucher zählte ? um EINE TODESFALLE handelt: Im Brandfalle würde die Evakuierung viel zu lange dauern, die Fluchtwege reichten nicht aus, die Nottreppe sei zu steil, und überhaupt.
Das ist natürlich richtig. Ebenso wie der Kommentar des grünen Oberbürgermeisters, ?die Risikobewertung habe sich im Laufe der Zeit in Deutschland und in Stuttgart so geändert, dass es heute keine andere Möglichkeit mehr gebe, als den Besucherverkehr auf dem 217 Meter hohen Turm zu untersagen? (Zitat SWR-Videotext).
Ständig ändert sich die Risikobewertung. Man denke nur daran, wo früher überall geraucht wurde. Währenddessen vermehrte sich die Menschheit im zwanzigsten Jahrhundert ? in dem mehr Tabak konsumiert wurde als jemals zuvor ? von rund zwei auf mehr als sechs Milliarden Menschen. Dann erfuhren wir, dank neuer Risikobewertung, daß der Tabak fast die gesamte Menschheit ausgerottet hätte.
Oder Tunnelbahnhöfe: In Hamburg beispielsweise rupfte die Bahn AG schon vor Jahren die Verkleidungen von den Decken der unterirdischen S-Bahnsteighallen, ohne Rücksicht darauf, wie diese nun aussehen, aber mit Rücksicht auf eine geänderte Risikobewertung. Alle Ausgänge wurden mit bis auf knapp zwei Meter über dem Boden heruntergezogenen Rauchschürzen optisch verbarrikadiert. In Berlin dagegen betreibt dieselbe Bahn AG, zu Füßen ihrer Konzernzentrale, einen unterirdischen Regionalbahnhof, durch den im Brandfalle der Rauch völlig ungehindert ziehen könnte, bis auf die Galerien.
Auch da muß das Risiko neu bewertet werden. Wobei es in konsequenter Weiterentwicklung der vorhandenen Hyste-, pardon: Risikobewertung eigentlich nur einen letzten Schluß gibt: In einem Bahnhof, der geschlossen ist, können Fahrgäste keinerlei wie auch immer gearteten Gefahr ausgesetzt werden. Eine Bahn, die nicht fährt, kann nicht verunglücken.
Und deshalb hätte eine Regierende Bürgermeisterin Renate Künast, nachdem sie und ihre ExpertInnEn erkannt hätten, welch immense Gefahren so ein Bahnbetrieb birgt, die Berliner U-Bahn stillgelegt. Behaupten böse Zungen.
Man weiß wirklich nicht, wie die auf sowas kommen.