Ach, wie arg ging dereinst es zu!
Man liest zum Beispiel in der Schrift zur 1913 erfolgten Eröffnung von Wilmersdorfer U-Bahn/Dahlemer Schnellbahn (heute U 3) und dem Abzweig zur Uhlandstraße (Strecken, für die ja der bestehende Tunnel in der Tauentzienstraße nicht nur zu erweitern, sondern auch noch gleich zweimal zu unterqueren war): ?Bei den Abzweigungen der Wilmersdorfer Bahn und der Kurfürstendammbahn von der Stammstrecke mußten die vom Wittenbergplatz kommenden Gleise in Tieftunneln unter der Stammbahn ohne Störug des Betriebes hindurchgeführt werden. Die schwierigen Arbeiten, bei denen das Grundwasser bis auf 10 m Tiefe abgesenkt werden mußte, und [die] namentlich bei der Abzweigung zum Kurfürstendamm an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche größte Vorsicht erforderten, wurden ohne jegliche Störung vollendet.?
Über den Bau der Bahnsteighalle für die heutige U 5 unter der bestehenden der heutigen U 2 am Alexanderplatz heißt es in der Broschüre zur Einweihung 1930: ?Man mußte zu einer dem bergmännischen Stollenvortrieb ähnlichen Ausführung greifen. Da die unbedingte Sicherheit des Betriebes im Stammbahntunnel während der Bauausführung gewährleistet sein mußte, war die Arbeit äußerst langwierig und dauerte im ununterbrochenen Dreischichtenbetrieb 27 Monate.?
In den ?Berliner Verkehrsblättern? Nr. 2/1971 erfährt man nach der Eröffnung der U 7-Verlängerung von Möckernbrücke nach Fehrbelliner Platz: ?Die Baumaßnahmen am Bahnhof Fehrbelliner Platz erstreckten sich über drei Jahre. Während des Umbaus mußte der Betrieb auf der Linie 2 voll aufrechterhalten werden.?
Und in der Publikation ?Berliner Bauwirtschaft? kann man in Nr. 8/1978 lesen (vom Senat auch als Sonderdruck veröffentlicht): ?Beim Baulos H 97 (Bauzeit: Oktober 1972 bis März 1975) war die Aufgabe zu lösen, den alten zweigleisigen Streckentunnel der Linie 1 auf einer Länge von rd. 130 m so aufzuweiten, daß auf beiden Seiten der Strecke je ein Seitenbahnsteig gewonnen werden konnte. Die Veränderung des alten Tunnels und der Bau des Kreuzungsbauwerks waren unter Aufrechterhaltung des Zugverkehrs auf der Linie 1 auszuführen, der lediglich durch die Einrichtung einer Langsamfahrstrecke im Baubereich eingeschränkt werden durfte.?
Wobei ?aufweiten? bedeutete: Vollständiger Abbruch des alten Tunnels (dessen Sohle unbewehrt war), Verschwenken der Gleise aus ihrer bisherigen (und künftigen) Achse, um die neuen Mittelstützen betonieren zu können, Rückverschwenken der Gleise, und nebenher noch Untertunnelung für die U 7 ? derweil über der weitgehend abgedeckten Baugrube weiterhin der Verkehr floß.
Ja, arm waren die Bauenden und alle Berliner dereinst dran. Denn sie waren dumm und unfähig. Nahmen Mühsale auf sich, um einen neuen U-Bahn-Tunnel quer unter einem bestehenden zu errichten ? während in letzterem der Betrieb weiterläuft. Und gleichzeitig auch noch über allem der Straßenverkehr.
Im Jahre 2012 ist man im Verkehrskompetenzzentrum Berlin glücklicherweise weiter: Für den Bau des U-Bahnhof Unter den Linden, in dem die neue Strecke der U 5 die bestehende der U 6 kreuzen soll, wird nur die wichtige, im Berufsverkehr regelmäßig von Staus geprägte Kreuzung Unter den Linden/Friedrichstraße mal eben weitgehend gesperrt. Für mehr als ein Jahr unterbricht man ab heute auch den Verkehr auf der bedeutenden U 6 an dieser zentralen Stelle.
Die Berliner Medien finden das ganz normal, denn auch sie haben inzwischen ein Niveau erreicht, welches man früher nicht für möglich gehalten hätte. Und geben deshalb verständnisvoll weiter, was die Berliner Verkehrsbetriebe ihren Opf-, pardon: Fahrgästen ganz offiziell raten: Die fünfhundert Meter, auf denen unter der Friedrichstraße nun keine U-Bahn fährt, doch einfach per Fuß zurückzulegen. Denn auf den umliegenden Straßen wird der Stau ja jetzt noch ärger werden. Da kommt eh kein Ersatzbus mehr in vertretbarer Zeit durch.
Und das Beste daran: Dieser Rat ist immer häufiger gültig in Berlin, egal ob man die Verkehrsmittel der BVG oder gar die S-Bahn benutzen möchte ? oft geht?s schneller, wenn man gleich läuft.